Der fremde Sohn (USA 2008, Regie: Clint Eastwood, Buch: J. Michael Straczynski, mit Angelina Jolie und John Malkovich)

Es ist erstaunlich, dass Clint Eastwood in einem Tempo faszinierende Themen und Drehbücher für seine Filme findet, dass einem fast schwindelig wird. Diesmal hat sich der Altmeister des lakonischen US-Kinos ein Stück Stadtgeschichte vorgenommen: Das Verschwinden eines Jungen in Los Angeles 1928.

Eastwood bricht bei der Umsetzung des Stoffes jegliche Genreregeln. Er erzählt keinen Thriller, er erzählt kein Drama, stattdessen beleuchtet er den Fall von verschiedenen Seiten. Im Kern geht es um die Hilflosigkeit des Einzelnen im System, um die Folgen von Korruption, um Mitläufertum - vom Bürgermeister über die psychiatrischen Einrichtungen bis hin zur Öffentlichkeit werden die Verbrechen der Ordnungsmacht Polizei mitgetragen. Dabei geht Eastwood bis hin zur Schmerzgrenze, er erzählt seine Geschichte knallhart und ohne Rücksicht auf dramaturgische Regeln oder klassische Spannungsverläufe herunter. Dass dies dennoch funktioniert, liegt an der Heftigkeit der Geschichte - die sich zudem real so zugetragen haben soll - , an der Präzision der Inszenierung, und natürlich an den dicken Lippen von Angelina Jolie (hier in ihrer ersten Altersrolle).

Der Film ist dennoch auch optisch eine Augenweide, weil man hier beiläufig ein unglaublich authentisch wirkendes Los Angeles der Zwanziger Jahre miterzählt bekommt. Eastwood bietet jeden Oldtimer auf, den er kriegen konnte. Da verknust man problemlos, dass die Musik (von Eastwood selbst) über weite Passagen äußerst betulich dahinplätschert. Eastwood steht über dem Gesetz.

Fazit: Ein Film, der erhaben aus der Zeit fällt. * * * *

Eine Filmkritik von Stephan Brüggenthies (www.brueggenthies.org)

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